Wartbote Mai 2015

Bundespolitik

Handelsabkommen der EU mit der USA (TTIP) und Kanada (CETA)

(von Jürgen Jakob, ehemaliger DGB-Regionsvorsitzender Oberfranken)

CETA/TTIP – egal, als normaler Bürger bin ich gar nicht betroffen!

 

Sind Sie sich da sicher?

Die Verhandlungen der EU mit den USA werden hinter verschlossenen Türen geführt. Warum? CETA ist mittlerweile ausgehandelt, aber noch nicht gültig. Der Text des Abkommens wurde veröffentlicht und darf so nicht vereinbart werden, denn er greift massiv in unsere Bürger- und ArbeitnehmerInnenrechte ein. Hier einige Beispiele:

  • CETA verfolgt eine Dienstleistungsliberalisierung, das heißt z.B., dass Schutzrechte für öffentliche Dienstleistungen wegfallen müssen. Das betrifft die Bereiche Bildung, öffentlicher Nahverkehr, Gesundheitsvorsorge, Daseinsvorsorge usw.
  • CETA enthält eine Regelung zum Investitionsschutz für Anleger/Investoren. Diese können dann Staaten vor internationalen Schiedsgerichten verklagen.  Hier ist keine zweite Instanz vorgesehen. Die Besetzung der Schiedsgerichte riecht nach Lobbyismus, zumindest wird nicht ausgeschlossen, dass das Schiedsgericht mit Juristen oder so genannten Experten besetzt wird, die unter Umständen bereits für die klagende Firma gearbeitet haben.
  • CETA lässt den Bereich Arbeitsschutz und Umweltschutz vollkommen schutzlos. Das heißt: hier kann liberalisiert werden. Z.B können dann bei uns verbotene Stoffe wieder zugelassen werden, weil diese in Kanada vertrieben werden dürfen. Oder ein kanadisches Unternehmen  entsendet Arbeitnehmer nach Deutschland, und diese werden dann nach kanadischem Recht beschäftigt.
  • CETA enthält eine so genannte "Ratchet-Klausel". Diese schreibt fest, dass das jeweils höchste erreichte Liberalisierungsniveau nicht nach unten korri-giert werden darf. Sie führt also tendenziell zu immer weiterer Liberali-sierung.

 

Ich fühle mich da immer noch nicht betroffen!

Das alles ist zu unklar, was habe ich z.B. mit Investitionsschutz, Ratchet-Klausel oder öffentlicher Dienstleistung zu tun?

Beispiel:

Das deutsche Parlament hat den Atomausstieg beschlossen. Ein kanadisches Unternehmen, das Teile für Atomreaktoren herstellt, verklagt die Bundesrepublik auf Schadenersatz. Nicht vor einem deutschen Gericht nach deutschem Recht, sondern vor so einem internationalen Schiedsgericht, und erhält einen Schadensersatz zugesprochen – womöglich Milliarden von Euro. Wegen der Auswirkungen auf die Haushaltslage müssen dann entweder die Steuern erhöht  oder zum Beispiel die Renten oder andere Sozialleistungen gekürzt werden. Das Gesetz muss zurückgenommen werden!

Beispiel:

Ein kanadisches Dienstleistungsunternehmen erhält den Zuschlag für den Bau eines Krankenhauses. Sie entsenden kanadische Arbeitnehmer, die haben nur zwei Wochen Urlaub, der Mindestlohn ist niedriger, es gibt keinen Kündigungsschutz, es müssen keine Facharbeiter sein (kein Meisterzwang in Kanada) usw. Wie lange können deutsche Unternehmen da mit bieten, wie viele gehen Pleite und wie viele entlassen Arbeitnehmer? Mögliche Folge: deutsche Unternehmen beschäftigen dann ihre deutschen Arbeitnehmer auch nach kanadischen niedrigen Standards.

Im Kern bedeutet das auch eine Einschränkung unserer demokratischen Verfassung.

Unser frei gewähltes Parlament kann dann keine Gesetze verabschieden, die diesem Abkommen zu wider laufen. Kein Atomausstieg, keine Umweltschutzauf-lagen, keine Ausweitung von ArbeitnehmerInnen-Schutzrechte, keine Regeln zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen. CETA ist veröffentlicht, TTIP nicht: es ist aber zu vermuten, dass CETA als Blaupause herangezogen wird.

Journalisten haben mittlerweile einiges aufgedeckt bzw. sind an einige noch ge-heime Dokumente gekommen. Unsere Politiker sagen zwar, das kein Sozial-Abbau, keine Schiedsgerichte oder etwas in dieser Art kommen wird, aber in CETA ist das so vereinbart. Die geheimen Papiere, die die Journalisten veröffentlicht haben, sagen auch etwas anderes. Die Unternehmenslobbyisten in den USA sprechen ganz offen über die positiven Verhandlungsergebnisse, insbesondere die für ihre chemischen Industrie - die USA hat weit niedrigere Umweltstandards als wir.

Also was ist Stand der Dinge? 

Wir Bürger der EU haben einen Anspruch darauf zu erfahren, was verhandelt wird. Diese Vereinbarungen können erhebliche Auswirkungen auf Umwelt- und Verbraucherstandards, auf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, auf Unternehmer oder auf unsere soziale Infrastruktur haben. Mit Chlor behandelte Hühnchen, Gen behandelte Nahrungsmittel oder Privatisierung des Gesundheitswesens sind nur einige Reizthemen. Handelsabkommen dürfen keine Regelungen zu sozialen und arbeitsrechtlichen Standards, zur Daseinsvorsorge im öffentlichen Dienstleistungs-bereich, zu Umwelt- und Verbraucherschutz haben und schon gar keine Klage-möglichkeit von Investoren außerhalb der Rechtssysteme.

 

Sind sie immer noch sicher, dass sie das alles nicht betrifft?

 

Sie können sich gerne näher informieren. Der SPD-Kreisverband Fichtelgebirge veranstaltet am

 

Dienstag, den 26. Mai 2015, um 19:00 Uhr

Im Saal des „Weißen Rosses“ in Thiersheim

 

eine Podiumsdiskussion mit Frau Christi Degen, Hauptgeschäftsführerin der IHK Bayreuth, und Ludwig Maier vom Deutschen Gewerkschaftsbund München.

Wir freuen uns über ihren Besuch!

 
 

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